Pfeilgiftfrösche
Die schönsten Tiere der Welt!
Zugegeben, der Untertitel ist vielleicht etwas subjektiv und auch nicht ganz ernst gemeint, aber für mich sind Pfeilgiftfrösche definitiv die schönsten und interessantesten Tiere. Ich beschäftige mich seit 1983 mit ihrer Haltung und Zucht im Terrarium. Warum das so ist, versuche ich in diesem Artikel zu erklären.
Die Familie der Dendrobatidae, wie sie mit ihrem wissenschaftlichen Namen heißen, sind Bewohner der tropischen Regenwälder Mittel- und Südamerikas. Die 12 bis 50 mm kleinen Frösche zeichnen sich nicht nur durch ihr namensgebendes, zum Teil extrem giftiges Hautsekret aus, sie faszinieren auch noch durch einige andere Besonderheiten. Die meisten Arten der Pfeilgiftfrösche legen eine Farbigkeit an den Tag, die ihnen die Bezeichnung „Juwelen des Regenwaldes“ einbrachte. Ihre Farbe dient als Warnung für potentielle Fressfeinde, die, wenn sie einmal Erfahrung mit dem Hautgift gemacht haben, einen großen Bogen um die Tiere machen. Eine Indianerlegende besagt, dass sich die Farbe des Gefieders von Papageien verändert, wenn man die noch nackte Haut frisch geschlüpfter Jungvögel mit dem Hautsekret von Dendrobates tinctorius einreibt. In wissenschaftlichen Versuchen wurde diese Geschichte allerdings nie bestätigt, aber immerhin hat sie den Tieren dieser Art den deutschen Namen „Färberfrosch“ eingebracht.
Einige Arten, z. B. Phyllobates terribilis oder Ph. bicolor besitzen das Hautgift Batrachotoxin. Es stellt eines der tödlichsten Gifte der Natur dar, weshalb es auch von einigen Indianerstämmen Kolumbiens zum Präparieren ihrer Blasrohrpfeile genutzt wird. Die größte Menge des Giftes produziert der „schreckliche Pfeilgiftfrosch“, Phyllobates terribilis. Er besitzt auf seiner Haut genug Batrachotoxin, um ca. 20.000 Mäuse oder aber 10 erwachsene Menschen zu vergiften. Dennoch braucht man sich als Terrarianer normalerweise keine Gedanken über sein Ableben durch die Frösche zu machen: die Tiere, die wir in unseren Terrarien haben, sind Nachzuchten und damit ungiftig. Selbst Wildfänge verlieren in Gefangenschaft nach 6-12 Monaten ihre Giftigkeit. Glücklicherweise wirkt das Gift auch nur dann, wenn es in die Blutbahn gerät. Auf der Haut verursacht es „lediglich“ ein sehr starkes Brennen oder Jucken.
Nicht nur das Hautgift, auch das Fortpflanzungsverhalten ist bei den Blatt- oder Baumsteigerfröschen, wie man die Dendrobatidae auch nennt, etwas Besonderes. Die Männchen fast aller Arten besetzen feste Reviere, die sie gegen Eindringlinge in heftigen Kämpfen verteidigen. Feste Regeln scheint es bei diesen Territorialkämpfen nicht zu geben. Treten, Boxen, Aufspringen und Würgen – alles ist erlaubt. Im begrenzten Lebensraum Terrarium ist es bereits zu Todesfällen gekommen, weil der Sieger den Schwächeren im Wasserteil ertränkt hat. Um diesem Schicksal zu entgehen, tarnen sich die unterlegenen Tiere oft als Weibchen: sie hören auf zu rufen und geben sich geschlagen. Die Revierbesitzer rufen von exponierten Plätzen aus, um die Aufmerksamkeit der Weibchen zu erlangen. Ist ein laichwilliges Weibchen in der Nähe, beginnt die oft stundenlange Balz bevor es zur Eiablage kommt. Diese findet außerhalb des Wassers statt, meist auf Blättern, die sich in der Natur manchmal mehrere Meter über dem Erdboden befinden. Das Männchen bewacht dann das Gelege bis zum Schlupf der Kaulquappen und sorgt dafür, dass die Eier nicht austrocknen. Dazu hüpft es mehrmals pro Tag in eine Wasseransammlung, nimmt Wasser auf und befeuchtet damit das Gelege. Sind die Quappen nach etwa 2 Wochen geschlüpft, kriechen sie instinktiv auf den Rücken des Männchens, auf dem sie sich mit einem, in speziellen Drüsen produzierten, klebrigen Sekret festhalten. Der Vater transportiert seinen Nachwuchs dann zur nächsten Wasserpfütze, womit für die meisten Arten die Brutpflege beendet ist. Die bis zu 40 Quappen bleiben sich dort selbst überlassen und ernähren sich von im Wasser verendeten Insekten, Algen und anderen Leckereien. Bei einigen Arten aus der Gattung Ranitomeya geht die Brutpflege allerdings noch weiter: das männliche Tier lockt durch Rufen regelmäßig ein Weibchen zu den Blattachseln mit den dort einzeln abgesetzten Kaulquappen. Dabei muss es sich bei einigen Arten nicht unbedingt um die Mutter der Kaulquappen handeln, bei anderen Arten schon. Das fortwährende Rufen des Männchens veranlasst das Weibchen zur Eiablage in die Blattachsel. Von diesen Eiern ernährt sich die Quappe, bis sie letztlich als fertiges Fröschchen das Wasser verlässt. Noch weiter spezialisiert sind Arten der Gattung Oophaga, den sogenannten „Eierfressern“. Zu denen gehört beispielsweise das bekannte Erdbeerfröschchen Oophaga pumilio. Hier bewacht und bewässert das Männchen die Gelege bis zum Schlupf der Kaulquappen, aber dann übernimmt, im Gegensatz zu den vorher genannten Arten, das Weibchen den Transport des Nachwuchses. Die Mutter lässt die Quappen einzeln auf ihren Rücken krabbeln und transportiert sie in Blattachseln von Bromelien oder in ähnliche kleine, oft nur fingerhutgroße Wasseransammlungen. Dort werden sie von ihr alle paar Tage besucht und mit eigens dafür produzierten Nähreiern gefüttert. Das ist ein für Tiere dieser Entwicklungsstufe einmaliges Verhalten. Die Quappen der Oophagas können auch in der Terraristik nur mit Froscheiern ernährt werden. Bei anderem Futter wie Mückenlarven etc. kümmern sie und entwickeln sich nicht weiter, was eine künstliche Aufzucht, wie bei anderen Arten, unmöglich macht. Die Weibchen der Oophaga-Arten merken sich genau, wo sich die eigenen Quappen befinden. Sie können so bis zu sechs Jungtiere gleichzeitig aufziehen, was durch wissenschaftliche Beobachtungen nachgewiesen wurde. Nach einigen Wochen verlassen die dann 8-10 mm kleinen, vollständig entwickelten Jungfrösche das Wasser. Sie haben von Anfang an die Farbe und Zeichnung ihrer Eltern und können ein Lebensalter von über zehn Jahren erreichen. Das gesamte Verhaltensrepertoire, von der Balz über den Laichvorgang und die Quappenpflege, kann man bei den tagaktiven „Juwelen des Regenwaldes“ im Terrarium beobachten.
Die Terrarien zur Haltung von Pfeilgiftfröschen können sehr ansprechend und artgerecht eingerichtet werden. Sie sollten möglichst einen kleinen Ausschnitt des Regenwaldes darstellen und mit künstlichen Baumstämmen, Epiphytenästen und Bachläufen gestaltet werden. Die Bepflanzung besteht aus Farnen, Bromelien, Rankpflanzen und verschiedenen Moosen. Selbst Orchideen gedeihen in dem feuchtwarmen Klima.
Auch wenn man den Ton beim Fernseher manchmal etwas lauter stellen muss, weil die Phyllobates terribilis in unserem Wohnzimmerterrarium mal wieder in Balzsstimmung sind, möchten wir dieses Konzert nicht mehr missen!