Aus:
P O O N A L

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen
Nr. 370 vom 29. Januar 1999
http://www.berlinet.de/poonal/archiv/p370.htm#ec

ECUADOR
Geschäft ohne Grenzen - UmweltschützerInnen warnen vor den Folgen der Bio- Ausbeutung
Von Luis Angel Saavedra

(Quito, 25. Januar 1999, na-Poonal).- Mitte November 1998 verkündete das US- amerikanische Pharmazie-Unternehmen Abbott die Entwicklung eines schmerzstillenden Medikaments, das potentiell zweihundertmal stärker ist als Morphin, das bislang wirksamste Schmerzmittel. Das neue Medikament, das im Übrigen nach den Angaben des Herstellers "keine Nebenwirkungen" zeigen soll, wird in Kürze auf den Markt kommen. Die Umsätze in diesem Marktsegment der chirurgischen Eingriffe und der von starken Schmerzen befallenen Menschen liegen bei einem Gesamtvolumen von ungefähr 40 Milliarden Dollar weltweit. In Ecuador hat die Ankündigung eine heftige Diskussion in Gang gebracht. Der mit ABT-594 bezeichnete Wirkstoff des neuen Schmerzmittels befindet sich nämlich im Epibatidin, einem giftigen Alkaloid, das von dem dreifarbigen Frosch Epipedobates tricolor erzeugt wird. Dieser Frosch lebt nur in den Ausläufern der Zentralkordillere der ecuadorianischen Anden. Bisher benutzten ihn lediglich die im Amazonas lebenden indigenen Völker, um mit dem Tiergift vergiftete Pfeilspitzen herzustellen. Die ecuadorianischen Umweltorganisationen "Ökologische Aktion" und das "Zentrum für Umweltrechte" haben nun erklärt, 750 Frösche seien im Jahre 1976 ohne Erlaubnis und ohne Kenntnis der Behörden in die USA gebracht worden. Die damalige Technik habe allerdings noch nicht erlaubt, das im Epibatin aktive Prinzip synthetisch herzustellen. Anfang der neunziger Jahre seien dann aber verschiedene aktive Prinzipien entdeckt worden, die zum ABT-594 geführt hätten. Zwei us-amerikanische Biologen von Abbott seien daraufhin nach Ecuador geschickt worden, um die Familie der Epipedobates-Frösche genauer zu studieren. Die mit dem ABT-594 zu erwartenden Gewinne haben Ecuador nun dazu gebracht, eine finanzielle Beteiligung von Abbott einzufordern. "Wir wissen aus den veröffentlichten Mitteilungen und aus anderen Quellen von der Marktreife des ABT-597 - es ist unter anderem an europäischen Freiwilligen getestet worden - und deshalb will Ecuador nun baldmöglichst wissen, wie seine Gewinnbeteiligung an dem Produkt aussieht", erklärt Sergio Laso vom Ecuatorianischen Institut für Wälder, Naturflächen und Urwaldgebiete (INEFAN). Doch noch hat das Land den juristischen Rahmen für seine Forderungen nicht gefunden. Zwar könnte Ecuador auf der Basis der meisten bestehenden internationalen Gesetze und Abkommen Abbott verklagen, doch die Vereinigten Staaten haben all diese Gesetzeswerke nicht ratifiziert. Die US-Firmeen sind deshalb zu nichts verpflichtet. Das 1992 in Rio de Janeiro beschlossene Abkommen über Biologische Vielfalt, welches die vollständige Souveränität aller Unterzeichnerstaaten über genetische Vorkommen sichert und die Verpflichtung der profitierenden Firmen zu einer Beteiligung der Herkunftsländer vorsieht, ist ebenfalls von den USA nicht ratifiziert worden. Nach der Konvention sollen solche Gelder von den Herkunftsländern im sozialen Bereich und zur Entwicklung der Gemeinden ausgegeben werden. Für die 1996 in Cartagena verabschiedete Konvention 391 existieren noch keine Durchführungsbestimmungen und auch die Laufzeit ist noch nicht festgelegt, weshalb bisher jedes Land einzeln mit den Firmen verhandelt, die die genetischen Rohstoffe nutzen. Nach dieser gängigen Praxis hat Ecudor Abbott ein Schreiben zukommen lassen, in dem es die Firma auffordert, "auf eine gerechte Weise die aus dem Wissen der indigenen Völker genutzten Vorteile und Gewinne anzuerkennen und zu vergüten". Bisher habe Abbott nicht geeantwortet, sagt Laso. "Wir hoffen mit den Vertretern des Unternehmens zu einem Vergleich zu kommen, der beide Seiten befriedigt." Wegen der schwierigen rechtlichen Situation sei aber alles offen, fügt er hinzu. Nach Angaben der US-amerikanischen Zeitschrift "Time" besitzen die verschiedenen Genbanken jeweils etwa 100.000 unterschiedliche Genmuster. Von den 250.000 erfaßten medizinischen Pflanzen sei erst ein Prozent von den Labors erforscht worden, die neue aktive Prinzipien für ihre Medikamente suchen. Die Laboratorien brauchen aber auch die Hilfe der Schamanen und örtlichen Heiler, um zumindest eine erste Orientierung bei den vorzunehmenden Untersuchungen zu haben. Der Anthropologe Fernando Moreno hat einen solchen exemplarischen Fall untersucht. Mit Unterstützung des WWF führt er 1998 eine Studie des Awa-Gemeinwesens durch. Die Awa leben im Gebiet der ecuadorianisch- kolumbianischen Grenze. "Acht Monate lang", erzählt Moreno "haben dort Wissenschaftler des New Yorker Botanischen Gartens Pflanzenmuster gesammelt. Zum Schluß haben sie 50 Bündel zu je 30 Kilogramm mitgenommen und auch noch nachtaktive Insekten mit großen automatischen Netzen und Generatorlicht gejagt." Der Botanische Garten von New York hatte Abkommen mit dem nationalen ecuaorianischen Herbarium und der technischen Abteilung des "Plan Awa" unterzeichnet, nachdem die US-Wissenschaftler berechtigt waren, Planzenproben zu sammeln. Für das Fangen von Insekten bestand keine Erlaubnis. Die Amerikaner hätten nicht nur die Insekten mitgenommen, sagt Moreno, "sondern auch noch zwei Schamanen, die ihnen in den USA bei der Klassifizierung des gesammelten Materials helfen sollen." Nach Ansicht des Anthropologen werde die Bioausbeutung ernsthafte soziale und ökologische Auswirkungen in den Gemeinden haben. "Indem sie (die Schamanen) mitgenommen haben, lassen sie die Gemeinden ohne Schutz, denn der Schaman ist in der Vorstellung der indigenen Gemeinden das Symbol der Sicherheit", sagt Moreno. Im ökologischen Bereich entstehe auf den ersten Blick kein Schaden durch die Sammlung von Pflanzen. Die Suche nach einzelnen Pflanzen betreffe das gesmte Ökosystem jedoch nachteilig, bemerkt der Wissenschaftler, weil eine Vielfalt von Pflanzen dabei zerstört werde. Die Vizepräsidentin von Ökologische Aktion, Gina Chávez, meint "die Bioausbeutung kann den betroffenen Gemeinden schon Vorteile bringen, wenn diese es schaffen, ihre Rechte auf uraltes Wissen anerkannt zu bekommen." Sie sei jedoch skeptisch, ob dies auch gelinge. "Am wahrscheinlichsten ist eine negative Auswirkung, denn die Verschlechterung der Umweltbedingungen, mit denen sie leben müssen, bedroht sie in ihrer Existenz."